Vielleicht ist es dir auch schon aufgefallen: Viele Männer und Frauen, die Yoga praktizieren, ernähren sich vegetarisch oder sogar vegan. Die meisten Yoga Retreats finden denn auch in Hotels statt, wo die Verpflegung vegetarisch / vegan ist. Und möglicherweise hast du dich auch schon gefragt:
Warum ist das so?
Die Antwort ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Es hat nichts mit den Asanas, also mit den Körperübungen, an sich zu tun. Es hat auch nichts mit den Atemübungen zu tun oder mit der Meditation. Sondern mit der Lebensphilosophie.
Ashtanga Yoga, der achtfache Pfad
Wie im Blogbeitrag „Yoga Philosophie“ erläutert, besteht die Lebensphilosophie im Yoga aus 8 Bestandteilen.
- Yamas
- Niyamas
- Asanas
- Pranayama
- Pratyahara
- Dharana
- Dhyana
- Samadhi
Heute wollen wir den Fokus auf Yamas legen. Yamas sind quasi die „Regeln“ im Umgang mit unserer Umwelt. Mit Umwelt ist aber nicht nur die Natur gemeint, sondern auch unser Umfeld, unsere Mitmenschen. Diese Regeln sind
- Ahimsa (Gewaltlosigkeit)
- Satya (Wahrheit)
- Asteya (Nicht-stehlen)
- Brahmacharya (Enthaltsamkeit)
- Aparigraha (Nicht-Ansammeln)
Der Ursprung der vegetarischen/veganen Ernährung bei Yogis ist dabei Ahimsa. Denn Ahimsa bedeutet, keinerlei Gewalt an anderen Menschen oder Tieren oder Pflanzen auszuüben. Also ist das Töten eines Tieres – ob schon geboren oder nicht – nicht yogisch. Weder für Nahrung noch für Kleidung ist das Töten gerechtfertigt. Auch Eier zu essen ist gemäss dieser Philosophie nicht yogisch, weil es ein ungeborenes Tier ist, das man quasi „tötet“. Auch Milch von der Kuh wird heutzutage nicht gewaltfrei entnommen, darum sind viele vegan. Also nicht nur das Töten ist verpönt, sondern auch das Gewalt-antun an einem Tier.
Man muss jedoch aufpassen, dass man Philosophien nicht einfach 1:1 übernimmt, sondern immer auch den kulturellen und zeitlichen Hintergrund berücksichtigt.
östliche Philosphie
Es mag wie ein Klischee tönen, aber einen Funken Wahrheit hat es drin: Wenn man dir in Indien sagt, der Zug kommt heute um 15 Uhr… kann es sein. Oder eben auch nicht. Vielleicht kommt er morgen um 15 Uhr. Oder morgen um 10 Uhr. Oder erst übermorgen. So genau nimmt man es nicht. Das ist einfach ein kultureller Fakt. Pünktlichkeit hat nicht denselben Stellenwert wie hier im Westen.
Wenn du also im Osten etwas WIRKLICH etwas erledigt haben willst, dann musst du mit „hartem Geschütz“ an Drohungen auffahren. Damit man auch merkt, dass es dir ernst ist.
Dies ist zum Beispiel in der Bhagavad Gita so klar spürbar (und für westliche Leser irritierend): In einem Kapitel steht, dass dies "der wahre und einzige Weg ist". Und ein Kapitel weiter steht "dies ist der wahre und einzige Weg" zur Erleuchtung.
Westliche Leser sind dann konfus und fragen sich: Ja welcher denn nun? Die Antwort ist: Wähle einen aus - und dann befolge ihn konsequent.
Westliche Philosophie
Im Westen ist es anders. Wenn der Zug um 15 Uhr kommen sollte, dann kommt er auch. Und die Leute sind verärgert, wenn er dann erst um 15.10 Uhr eintrifft. Schliesslich bist du ja pünktlich auch am Bahnhof gewesen und verlierst nun wertvolle Zeit. Eine Abmachung hat Gültigkeit, Daten und Zeiten sind verbindlich. Wenn man dir also 1x sagt, du musst XY erledigen, dann machst du das auch.
Wenn man sich das also vor Augen führt, dann bekommen die „Regeln“ eine ganz andere Bedeutung. Du „musst“ nicht Veganer/in werden, um Yoga zu praktizieren. Aber die Yamas und Niyamas sind (alle einzeln) eine Aufforderung, deine
- Handlungen,
- Gedanken und
- Worte
stets zu reflektieren:
- Sind die gewaltfrei/frei von Bösartigem?
- Sind sie wahr (und trotzdem gewaltfrei formuliert)?
- „bestiehlst“ du niemanden (Zeit, Geld, Aufmerksamkeit…)
- Bist du frei vom „Ansammeln“ – was kannst du loslassen?
- Setzt du deine (sexuellen) Energien sinnvoll und zielgerichtet ein?
Auch wenn wir uns wünschen, dass es ein Messgrad an Richtig und Falsch gäbe: Das gibt es nicht. Jede/r einzelne entscheidet jede Sekunde aufs Neue, was du denken, sagen, tun willst. Und diese Entscheidungen bringen unser Karma ins Leben und kreieren unser Leben. Manche sind Veganer (und bringen somit den Markt dazu, bessere Alternativen zu Fleisch zu bringen – darum danke!), manche spenden viel Geld. Manche sind wunderbare Mütter und Väter, die ihre Kinder bestmöglich erziehen. Lass dir von niemandem etwas aufdrücken – Missionare sind hier völlig fehl am Platz. Dafür ist der achtfache Pfad nicht gedacht.
Sondern er ist dafür gedacht, dir zu HELFEN – und nicht zu richten oder urteilen.
Literaturtipp: Der Yoga lebt vegetarisch